Richtige Weichenstellung bei Freistellung

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Ob und wie ohne Fallstrick freigestellt wird, hängt von der jeweiligen Interessenlage des Unternehmens ab. Wird jetzt bei Vertragsbeendigung einfach „drauf los“ freigestellt, kann der Schuss nach hinten losgehen.

Deswegen empfiehlt der Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Dietrich (Heppenheim) bei Kündigung oder Aufhebungsvertrag folgende rechtliche Möglichkeiten der Gestaltung zu beachten:

 


Bezahlt oder unbezahlt ?

  1. Unbezahltes einseitiges Freistellen ist nicht möglich (BAG, Urteil v. 18.05.1999 – 9 AZR 13/98)
  2. Auch bezahltes Freistellen gegen den Willen des Arbeitnehmers ist nur ausnahmsweise zulässig. Es gilt der Grundsatz: Allgemeiner Beschäftigungsanspruch (BAG, Urteil v. 27.02.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702) oder Beschäftigungsanspruch bei Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung, § 102 BetrVG. Ausnahmen sind nur bei sachlichen Gründen zulässig, wie Wegfall der Vertrauensgrundlage oder Schutz von Betriebsgeheimnissen (BAG, Urteil v. 19.08.1976 3 AZR 173/75, NJW 1977, 215

Einseitig oder einvernehmlich ?

  1. Einseitig wird freigestellt, wenn der Arbeitgeber sie anordnet (eindeutig bei widerruflicher Freistellung, da keine endgültiger Verzicht auf Arbeitsleistung bei Widerspruch des Arbeitnehmers gegen die Freistellung)
  2. Einvernehmlich ist die Freistellung, wenn sie vereinbart wird. Die Übereinstimmung erfolgt ausdrücklich vertraglich (z.B. Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvereinbarung oder gerichtlicher Vergleich) oder unausgesprochen „aus Versehen“ (etwa bei Trennungsgesprächen – mit unbeabsichtigten Folgen !)

Widerruflich oder unwiderruflich ?

  1. Widerruflich ist die Freistellung, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer noch zurückholen kann
  2. Unwiderruflich wird freigestellt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr kommen muss

Mit Anrechnung von Urlaub und Freizeitguthaben ?

Die Freistellung lässt noch bestehenden Resturlaub oder Überstundenguthaben nur entfallen, wenn eine Anrechnungserklärung erfolgt. Der Urlaubsanspruch wird aber nicht abgegolten, wenn der Arbeitnehmer in der Freistellungszeit arbeitsunfähig erkrankt.

Eine Erkrankung steht aber der Abgeltung von Überstunden durch die Freistellung nicht entgegen.


Mitbestimmung des Betriebsrats ?

Die Kündigung unterliegt der Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG. Ein Aufhebungsvertrag ist allerdings nicht mitbestimmungspflichtig.

Die Freistellung allein ist ebenfalls keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme (BAG Beschluss v. 28.03.2000, 1 ABR 17/99, NZA 2000, 1355). Es werden nur Aufgaben entzogen, aber keine neuen zugewiesen.

Kritisches Wechselspiel der Vorgaben:

Berechtigte einseitige Freistellung

Folgen: bei berechtigter einseitiger Freistellung Erlöschen des Beschäftigungsanspruchs mit Fortzahlung der Vergütung; vertragliches Wettbewerbsverbot bleibt nur bei ausdrücklichem Widerspruch des Arbeitgebers

Unberechtigte einseitige Freistellung

Folgen: Wahlrecht des Arbeitnehmers: Entweder Beschäftigungsanspruch  (Klage / Einstweilige Verfügung) oder Fortzahlung der Vergütung. Das vertragliche Wettbewerbsverbot bleibt auch ohne Widerspruch des Arbeitgebers bestehen. Der Arbeitnehmer kann immateriellen Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung verlangen. Dies entspricht bei Unternehmen mit sog. Compliance-Regeln einem Vertragsbruch (Breach of Contract).

Unwiderrufliche / einseitige Freistellung:

Das nachfolgende Kündigungsbeispiel birgt Sprengstoff:

„Aus diesem Grund kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum xx.yy.zzzz. Zudem stellen wir Sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Arbeitspflicht frei.“

Auf den ersten Blick liegt eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers vor. Das BAG sieht diese aber als Angebot, dem Arbeitnehmer die Arbeitspflicht zu erlassen. Kommt der Arbeitnehmer dann nicht mehr, nimmt er das Angebot der Gegenseite stillschweigend an. Ein Zugang der Annahmeerklärung des Arbeitnehmers ist entbehrlich, § 151 BGB.

Folge: Es liegt eine ursprünglich einseitige Freistellung vor, die sich unbeabsichtigt in eine einvernehmliche gewandelt hat.

Damit zwar Erlöschen des Anspruchs auf Beschäftigung bei Fortzahlung der Vergütung; aber das vertragliche Wettbewerbsverbot bleibt wegen fehlendem Widerspruch des Arbeitgebers nicht bestehen. Der Arbeitnehmer kann anderweitig arbeiten, womöglich auch bei der Konkurrenz ! Nach überwiegender Meinung muss er sich dabei aber anderweitigen Verdienst anrechnen lassen.