Das Beispiel Arbeitszeugnis zeigt sehr gut auf, wie man im Arbeitsrecht Streit und Kosten vermeiden kann. Die Frage der Kosten prägt das Arbeitsrecht besonders. Denn: In der Praxis ist bei Arbeitnehmern wie bei Arbeitgebern die Kostenregelung des § 12a ArbGG häufig nicht bekannt. Diese regelt, dass beide Seiten ihre Rechtsverfolgungskosten jeweils selbst tragen. Das gilt für außergerichtliche Tätigkeit und  für die Arbeit vor Gericht bis zum Ende der ersten Instanz.

Das heißt zu Deutsch: Selbst wenn man gewinnt, muss man die Kosten bis dahin allein tragen. Der Hintergrund der Regelung besteht in der Möglichkeit der Verbands- bzw. Gewerkschaftszugehörigkeit.  Über diese Verbände können die Parteien auch Rechtsberatung und -vertretung beanspruchen. Die Verbandszugehörigkeit nimmt aber heutzutage immer mehr ab.

Arbeitnehmer sind nicht immer rechtsschutzversichert. Prozesskostenhilfe ist nur unter engen Voraussetzungen möglich und ist kein Geschenk, sondern ein Darlehen des Staates. Unter bestimmten Umständen muss zurück gezahlt werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bessern. Einen neuer Job oder die gerade erst erstrittene Abfindung kann mit der Kehrseite der Rückzahlung einhergehen. Insbesondere Arbeitgeber haben regelmäßig keine Rechtsschutzversicherung und sind ebenfalls auf Kostensparung angewiesen.

Daher sollten Kosten nach Möglichkeit nur begrenzt anfallen. Eine erhebliche Kostenersparnis liegt darin, dass unnötige Streitigkeiten von vornherein vermieden werden.

 

Beispiel der Streitvermeidung: Arbeitszeugnis

Konflikte im Arbeitsverhältnis kochen häufig beim Arbeitszeugnis hoch.

Schon im laufenden Arbeitsverhältnis streiten die Parteien häufig über Inhalte des Zwischenzeugnisses. Bei Beendigung wird in der Regel die Zeugnisbenotung nur in Umrissen mit geregelt. Wenn der Arbeitgeber dann aus der Hüfte geschossen ein Zeugnis erteilt, ist das Geschrei oftmals groß. Das gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber meint, dem Arbeitnehmer noch eins mitgeben zu müssen, z.B. durch versteckte Botschaften:

  • „ordentliche Aufgabenerledigung“ = bürokratische Arbeitsweise
  • „Fähigkeit zu delegieren“ = faul
  • „Engagement für die Interessen der Arbeitnehmer“ (auch außerhalb des Betriebs) = Betriebsratsmitglied / Gewerkschaftsmitglied
  • „gesellige Art“ / er stand stets „voll“ hinter uns = Alkoholproblem
  • Bei „Mitarbeitern und Vorgesetzten“ sehr geschätzt = falsche Reihenfolge: Vorgesetzter vor Mitarbeiter vor Kunde ist in der Zeugnissprache die beste Verhaltensbewertung

 

In der Mehrzahl der Fälle sind solche Streitigkeiten unnötig und kosten damit auch unnötig Geld.

Streitigkeiten können schon dadurch entschärft werden, dass ein Zeugnis professionell gestaltet wird. Zuallererst gehört dazu eine professionelle Zeugnisstruktur.

  • WER = Eingangssatz (Info über Firma und MA mit Eintrittsdatum und Jobbezeichnung)
  • WAS = Aufgabenbeschreibung in Stichpunkten
  • WIE (Leistungsteil) = Beurteilung der Leistungen
  • WIE (Verhaltensteil) = Beurteilung des Verhaltens und der Führung bei Führungsverantwortung
  • WARUM = Grund der Zeugniserteilung, wird nur im Ausnahmefall erwähnt
  • SCHLUSS = Bedauerns- Dankes- u. Gute-Wünsche-Formel (kein Anspruch !)

Eine gute Personalabteilung erkennt schon anhand der Zeugnisstruktur, ob das Zeugnis professionell gestaltet wurde oder nicht. Gut gemeint heißt wie so oft nicht automatisch auch gut gemacht. Viele vom Arbeitgeber „selbst gestrickte“ Zeugnisse haben schon hier Mängel.

 

Streitvermeidung durch Entwurfsrecht

Streitigkeiten können entschärft werden, wenn der Arbeitnehmer selbst einen Entwurf vorlegen darf.

Die Erfahrung lehrt:

Im Arbeitnehmermandat gehen von 100 % der Entwürfe 80 % unverändert durch. 10 % enthalten Änderungen, mit denen man leben kann. 10 % sind dann evtl. noch streitig.

Arbeitgebermandat: Wenn der Arbeitnehmer das Entwurfsrecht hat, kann man ersehen was der Arbeitnehmer will. Das sortiert viele Streitpunkte aus. Wenn man das Entwurfsrecht nicht einschränkt (Abweichungen vom AN-Entwurf nur aus wichtigem Grund) bleibt das Arbeitgeberermessen erhalten. Selbst wenn Kernnoten „stets zur vollen Zufriedenheit“ / „stets einwandfrei“ festgelegt sind, sind Abwertungen ohne weiteres möglich.

 

Aufgabe des Anwalts beim Arbeitszeugnis

Bei der  Zeugnisgestaltung kann der Anwalt  den Verfasser nicht vollständig ersetzen. Insbesondere die Beschreibung der  Aufgaben ist Sache der Parteien. Denn diese wissen, was der Arbeitnehmer im Verlauf des Arbeitsverhältnisses wirklich hat leisten müssen. Bei der Kontrolle der Struktur und der Formulierungen ist dagegen das geschulte Auge des Arbeitsrechtlers hilfreich: Dieser sortiert das Zeugnis und formuliert so, dass das Zeugnis möglichst beanstandungsfrei durchläuft und nicht einmal abgeholt werden muss. Der kollegiale Kontakt zum Anwalt der Gegenseite bringt hier häufig Beschleunigung: Denn auch der Kollege oder die Kollegin auf der Gegenseite weiß aus Erfahrung, an welchen Punkten es sich zu streiten lohnt und wo nicht.

Das Arbeitszeugnis hilft auf dem beruflichen Lebensweg weiter. Gerade bei lang andauernden Arbeitsverhältnissen oder bei jungen Bewerbern sind Bewerbungen ohne fragwürdige „Ecken und Kanten“ ein wichtiger Schritt zum neuen Job.

Aber nicht nur aus Arbeitnehmersicht ist das Zeugnis wichtig: Nimmt der Arbeitgeber das Zeugnis außer Streit, kann durch dieses Entgegenkommen häufig Verhandlungsmasse bei der Abfindung geschaffen werden.