In Mehrfamilienhäusern entsteht häufig Streit über Probleme mit dem Schallschutz. Im Altbestand ist entschieden, dass der Vermieter ohne konkrete Vereinbarung nur den Standard schuldet, der bei Errichtung des Gebäudes gegolten hat. Bei vor 1962 gebauten Häusern gilt ein Mindestschutz durch die DIN 4109 in der Fassung 1962.
Was aber, wenn zwischenzeitlich bauliche Maßnahmen stattgefunden haben? Das Landgericht Hamburg (Urt.v. 12.07.2017, Az. 318 S 31/16) hatte einen Fall aus dem Wohnungseigentumsrecht zu entscheiden. Bei dem Fall war das bisherige Schutzniveau sogar abgesenkt wurde. Dieser Level war allerdings immer noch besser als der Standard bei Errichtung im Jahr 1909 bzw. als die DIN 4109 (Fassung 1962).
Der Eigentümer der oberen Wohnung baute eine neue Gaube mit vorgelagerter Loggia. Dabei wurde der Bodenaufbau bis auf die Holzbalkendecke mit Bodenbrettern entfernt. Anschließend brachte der Eigentümer einen neuen Aufbau ein. Dieser hatte keine Dämmschicht auf den Bodenbrettern.
Der benachbarte Eigentümer der unteren Wohnung rügte Schallschutzverstöße. Er beanstandete auch den baulichen Eingriff in Gemeinschaftseigentum. Er verlangte Herstellung verbesserten Schallschutzes durch Einbau einer Trittschalldämmung oder Verlegung von Teppichböden außerhalb der Nassbereiche.
Der Miteigentümer erzielte vor dem Landgericht keinen Erfolg:
Das Gericht sah als geschuldeten Schallschutz – Maßstab den bei Errichtung im Jahr 1909 bzw. als die DIN 4109 (Fassung 1962). Dass zwischenzeitlich sogar ein deutlich besserer Schallschutz bestanden hatte, ficht das Gericht nicht an. Nur wenn in Estrich oder die Geschossdecke selbst die Gebäudesubstanz nachhaltig verändert wird, ändern sich auch die Anforderungen an den Baustandard: Dann sind die Werte einzuhalten, die bei der gravierenden Umbaumaßnahme gegolten haben.
Das Landgericht sah auch keinen Eingriff ins Gemeinschaftseigentum: Oberhalb der Bodenbretter läge Aufbau im Sondereigentum. Veränderungen im zulässigen Bereich des Schallschutzes kann der Miteigentümer daher nicht verhindern.
Entscheidung über Schallschutz ist noch nicht rechtskräftig
Der Bundesgerichtshof hat bisher lediglich festgelegt, dass bei Baumaßnahmen Schallschutz geschuldet ist, der den jeweiligen DIN-Werten bei Errichtung entspricht. Bisher ist aber noch nicht entschieden, ob das auch gilt, wenn das Bauwerk vor 1962 ohne DIN-Vorgabe errichtet wurde und nach 1962 in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde.
Das unter dem Aktenzeichen V ZR 221/17 geführte Revisionsverfahren wird über das Wohnungseigentumsrecht hinaus Bedeutung erlangen: Nicht nur Wohnungseigentumsgemeinschaften und Bauträger brauchen Rechtsklarheit über den zu beauftragenden Schallschutzstandard im Altbestand. Auch im Mietrecht gilt, dass Mieter nur bei Errichtung gültige Standards erwarten dürfen. Wenn sich der erwartbare Level des Schallschutzes durch zwischenzeitliche Baumaßnahmen ändert, wird das vertraglich geschuldete Niveau entsprechend steigen.
Man darf gespannt sein, welche Anforderungen der BGH hier zieht: Wenn jede noch so kleine Renovierung sogleich den aktuellen Stand der Technik mit nachholen muss, wird das die Neigung von Gebäudeeigentümern zu Baumaßnahmen sicher beeinflussen. Die Abgrenzung des LG Hamburg erscheint für alle Rechtsgebiete praktikabel: Alles was zum Sondereigentum gehört, betrifft nicht die Gebäudesubstanz. Dies unterliegt der freien Verfügung des Nutzers. Solange die Errichtungsstandards noch eingehalten werden, wird niemand über Gebühr benachteiligt oder überrascht sein.