Bei der Haftung für Mängel werden die Karten neu gemischt
Betreiber von Solarstrom-Anlagen hatten nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nur zwei Jahre Frist für die Haftung für Mängel. Der für Kaufrecht zuständige 8.Zivilsenat wendet bisher die kurze kaufrechtliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren an, die im unternehmerischen Geschäftsverkehr sogar auf ein Jahr verkürzt werden kann.
Der für Baurecht zuständige 7.Zivilsenat des BGH wendet dagegen in einer aktuellen Entscheidung vom 2. Juni 2016 die deutlich längere – fünfjährige – Verjährungsfrist aus dem Werkvertragsrecht an (BGH VII ZR 348/13).
In dem zu entscheidenden Fall wurde die Photovoltaik-Anlage auf das Dach im Jahr 2004 einer Tennishalle mit einer Unterkonstruktion aufgebracht und mit dem Gebäude fest verbunden.
Bereits ein Jahr nach der Errrichtung rügte der Betreiber der PV-Anlage einen zu geringen Stromertrag und damit einen Mangel. Der Vertragspartner teilte mit, man müsse die Anlage noch zwei Jahre beobachten. Nach erneuter Beanstandung aus dem Jahr 2007 beantragte der Betreiber 2010 ein selbständiges Beweisverfahren. Dieses konnte die Verjährungsfrist nur hemmen, wenn bei Beantragung die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war. Erstinstanzlich folgte das Landgericht Passau noch den strengeren Vorgaben des Kaufrechts und wies die Klage wegen Verjährung ab. Der BGH bestägte dann aber das Berufungsgericht (OLG München). Der Baurechts-Senat erkannte durch die Vielzahl an Verbindungen die Anlage als dem Gebäude dienender Bestandteil an, und auch die Anlage selbst soll ein Bauwerk sein.
Der Heppenheimer Rechtsanwalt Alexander Dietrich weist darauf hin, dass durch Vorbringen verschiedener Indizien, wonach die Anlage konstruktiv mit dem Gebäude fest verbunden ist und diesem bereits dann dient, wenn sie nicht dem Gebäude selbst Solarstrom liefert, eine erhebliche Haftungsausweitung für die Anlagenersteller verbunden ist.
Zeigen sich konstruktions- oder materialbedingt Leistungseinbußen, kann der Betreiber gestützt auf diese neue Rechtsprechung wesentlich länger Mängelrechte geltend machen. Im zu entscheidenden Fall verlangte er so 25 % der gezahlten Werklohnsumme – über 70.000 Euro – erfolgreich zurück.
Grundlegend ist allerdings das letzte Wort noch nicht gesprochen:
Der Baurechtssenat hat aus formalen Gründen die Angelegenheit nicht dem Großen Senat des Bundesgerichtshofs vorgelegt, obwohl auf den ersten Blick eine Abweichung von der Entscheidung des Kaufrechtssenats vorlag: In dessen Fall lag die Bestellung noch zu verbauender Komponenten im Vordergrund, und damit der Erwerb der Teile, die PV-Anlagenerrichtung auf einem Scheunendach war hiervon letztlich getrennt vereinbart worden. Bis zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung bestehen jedenfalls nunmehr bessere Aussichten für die Betreiber, länger Mängelrechte geltend machen zu können.