Im Annahmeverzug muss der Arbeitgeber Vergütung weiter zahlen, obwohl er keine Gegenleistung erhält. Diese Situation setzt den Arbeitgeber im Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang unter Druck. Viele zahlen zur Vermeidung unkalkulierbar auflaufender Vergütungen bei langer Prozessdauer lieber eine Abfindung. Ein Ausweg besteht darin, eine Prozessbeschäftigung anzubieten. Dann erhält man im schlechtesten Fall immerhin eine Gegenleistung für den Lohn. Schlägt der gekündigte Arbeitnehmer das Arbeitsangebot aus, kann man ihm auch böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen.

Dass derartige Tricks aber nicht auf jeden Fall anwendbar sind, zeigt ein neuer Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 29.03.2023, Az. 5 AZR 255/22):

Hier ging es nämlich nicht um eine klassische Kündigung, sondern um eine fristlose Änderungskündigung. Der Kläger sollte nicht mehr als technischer Leiter arbeiten, sondern gegen eine geringere Vergütung als Softwareentwickler.

Der Arbeitgeber agierte hier nach dem Motto „Wasch mich aber mach mich nicht naß“:

Denn er forderte den Beschäftigten nicht nur zum Dienstantritt für den Fall der Annahme des Änderungsangebots auf. Die Aufforderung sollte auch für den Fall der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten. Der Arbeitnehmer lehnte ab und erschien nicht zur Arbeit. Dann kündigte der Arbeitgeber erneut außerordentlich und forderte erneut zum Arbeitsantritt mit der niedriger entlohnten Tätigkeit auf.

Im Kündigungsschutzprozess hielten beide Kündigungen der arbeitsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Der Arbeitnehmer klagte in der Folge auf Annahmeverzugslohn für einen Teil des Monats Dezember 2019 bis zur Aufnahme einer anderen Tätigkeit im April 2020.

Widersprüchliches Verhalten beim Annahmeverzug

Der Arbeitnehmer war mit Zahlungsklage erst beim BAG erfolgreich. Denn der Arbeitgeber zur Begründung der beiden Kündigungen zu Unrecht umfangreiches Fehlverhalten herangezogen und den Kläger persönlich herabgesetzt. Das BAG wertete es als Widerspruch: Der Arbeitgeber hatte im Kündigungsschutzprozess die Beschäftigung des Arbeitnehmers als nicht mehr zumutbar zurückgewiesen und wollte dem Arbeitnehmer nun entgegen halten, dass er nicht gearbeitet habe.

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen stellte das BAG auf das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers ab: Dadurch geriet die Beklagte aufgrund der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug. Ein Arbeitsangebot durch den Kläger war entbehrlich. Dadurch, dass das Unternehmen selbst deutlich gemacht hatte, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Mannes unzumutbar sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er ihm kein ernstgemeintes Angebot einer Weiterbeschäftigung unterbreitet habe. Wenn das Weiterbeschäftigungsangebot der Arbeitgeberseite nicht ausreichend ernst gemeint war, habe der Arbeitnehmer darauf nicht eingehen müssen. Wenn er dieses „Angebot“ ablehne, lasse das nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers i.S.d. § 297 BGB (Unvermögen des Schuldners) schließen.

Die Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes komme in dem Fall ebenfalls nicht in Betracht. Denn nicht dem Arbeitgeber war die Weiterbeschäftigung unzumutbar, sondern vielmehr dem Arbeitnehmer sei aufgrund der gegen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten unzumutbar gewesen.

Somit musste das Unternehmen gut 20.000 € brutto (abzüglich anzurechnendes Arbeitslosengeld knapp 8.000 € netto) nachzahlen. Den vermeintlich genialen Trick eines Arbeitsangebots im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung hat der Arbeitgeber also hier recht teuer bezahlt.

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