Gibt es für den Mieter eine Narrenfreiheit bei der Mietminderung, oder hat ein Irrtumsspielraum wenigstens Grenzen ? Das Landgericht Frankfurt (Beschl. v. 30.01.2020 – Az. 2-11 S 232/19) hat kürzlich eine Bandbreite festgelegt, die als Orientierung dienen kann.
Dazu muss man wissen, dass Schuldnerverzug nicht nur die Fälligkeit der Zahlung voraussetzt. Es ist auch kalendermäßige Fälligkeit (regelmäßig bei Miete gegeben) oder eine Mahnung erforderlich. Zudem braucht es Verschulden.
Dieses wird zwar bei Zahlungsrückständen regelmäßig vermutet. Denn seit dem alten Rom gilt schon: „Geld hat man zu haben.“ Dazu sind aber Ausnahmen anerkannt. Meint der Schuldner, dass er nicht zahlen muss, kann darin ein entschuldbarer Rechtsirrtum liegen.
Wie weit der Mieter „daneben liegen“ darf, ist gesetzlich nicht geregelt.
Im Fall hatte die Mieterin um 50 % wegen eines Wasserschadens gemindert. Das Gericht billigte aber nur eine Quote von 10 % Minderung zu.
Das Landgericht schafft nun einen Korridor für die Rechtsanwendung: Schießt der Mieter mit der Minderung „nur“ um den doppelten Minderungsbetrag übers Ziel, soll das ein entschuldbarer Rechtsirrtum sein. Auch ein dreifaches Überschreiten könne noch „eventuell“ entschuldbar sein. Hier fühlte die Mieterseite sich aber bemüßigt, den fünffachen Minderungsbetrag einzubehalten.
Die Begründung für den Spielraum: Bei gleichen Sachverhalten billigen die Gerichte unterschiedliche Minderungsquoten zu. Daher kann der Mieter nicht vollständig sicher sein, ob das für die Mietsache zuständige Gericht anderen Entscheidungen folgt. In Grenzen entlastet das LG Frankfurt mit der Vorinstanz die Mieterseite um das Prognoserisiko.
Bei einem krassen Überschreiten des Minderungsbetrags um das fünffache soll ein entschuldbarer Irrtum jedenfalls nicht mehr gegeben sein. In der Konsequenz ging die Räumungsklage des Vermieters auch in der Berufungsinstanz damit durch.
Diese mieterfreundliche Rechtsprechung ist sehr großzügig. Denn das Prognoserisiko, ob eine Forderung zu Recht einbehalten wird oder nicht, obliegt grundsätzlich dem Schuldner. Eigentlich gibt es also so etwas wie “ Narrenfreiheit “ nicht.
So hatte nach einer Falschberatung des Mietervereins über die Zurückhaltung laufender Zahlungen bis zur Belegeinsicht wegen Betriebskosten der BGH letztinstanzlich gegen den Mieter entschieden (BGH 25.10.2005 – VIII ZR 102/06). Jedoch hatte der Mieter sich hier fachkundigen Rat eingeholt. Der Irrtum des Experten vom Mieterverein war seinerzeit voll zurechenbar.
Entscheidung nicht vom BGH bestätigt
Es ist eigentlich nicht einzusehen, weshalb dem Mieter ein derart großer Spielraum zustehen soll: Denn ihm steht ja auch die Möglichkeit zu, die Mieten erst einmal unter ausdrücklichem Vorbehalt zu zahlen. Dann kann später zurück gefordert oder gegen weitere laufende Mieten aufgerechnet werden.
Vermieter sind regelmäßig mit einer so guten Bonität und Liquidität ausgestattet, dass der vorsichtige Mieter hier selten ein Risiko eingeht, seinem Geld letztlich erfolglos nachlaufen zu müssen.
Für Ausnahmefälle (z.B. wenn die Wohnung schon unter Zwangsverwaltung steht oder der Vermieter in Insolvenz geht), mag es geboten sein, großzügiger zu sein.
Für den Regelfall sollte es bei einer Vorbehaltszahlung bleiben. Denn der BGH hat zu der Bandbreite der “ Narrenfreiheit “ oder den Grenzen der Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums das letzte Wort noch nicht gesprochen.