Häufig ist am Ende des Arbeitsverhältnisses umstritten, wie viel Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer noch hat. Hier können sich noch einmal erhebliche Abgeltungsansprüche ergeben. Diese können sich über viele Jahre aufbauen, wenn der Arbeitgeber den geschuldeten Urlaub nicht gewährt. Offen ist aber jetzt, ob der Urlaubsanspruch durch die 3jährige gesetzliche Regelverjährung begrenzt ist.

Der Europäische Gerichtshof und dem folgend das BAG (siehe auch nachfolgende Urteilsbesprechung) haben beim Urlaubsanspruch die Zügel zu Lasten der Arbeitgeber angezogen. Die Rechtsprechung hat eine Mitwirkungsobliegenheit entwickelt: Sorgt der Arbeitgeber nicht durch nachweisbare Angebote dafür, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub tatsächlich nehmen, erfolgt automatisch die Übertragung ins nächste Urlaubsjahr. Das LAG Düsseldorf setzt dieser Tendenz in der Rechtsprechung nun noch die juristische Krone auf: Nach der Entscheidung vom 02.02.2020 (Az. 10 Sa 180/19) greifen weder die Verfallvorschriften des Bundesurlaubsgesetzes (§ 7 Abs. 3 BUrlG) noch die allgemeinen Verjährungsvorschriften ein. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt.

Die Folge: Es laufen Jahr für Jahr Übertragungsansprüche auf. Diese werden dem jeweiligen Folgeanspruch hinzu addiert (Kumulationskette). Im Streitfall wollte die Arbeitnehmerin nach ihre Ausscheiden 101 Arbeitstage abgegolten erhalten. So viele Tage liefen von 2011 – 2017 auf, da der Urlaub nicht vollständig gewährt wurde. Wert: Ca. 22.000 € brutto.

Nachdem sie in erster Instanz noch weitgehend erfolglos war, gab das LAG der Klägerin weitgehend Recht.

Der Arbeitgeber habe  die erforderliche rechtzeitige, klare und unmissverständliche Aufforderung an die Arbeitnehmerin unterlassen, Urlaub zu nehmen. Gestützt auf die BAG-Rechtsprechung obliege es dem Arbeitgeber, konkret dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sei, seinen Urlaub zu nehmen. Es reicht also nicht, passiv zu bleiben. Der Arbeitgeber muss selbst initiativ werden.

Laut LAG Düsseldorf muss die Rechtsprechung die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes und die allgemeinen Verjährungsvorschriften europarechtskonform im Sinne der dortigen Richtlinien auslegen.

Urlaubsanspruch: höchstrichterliche Bestätigung der Kumulation bei Obliegenheitsverletzung des Arbeitgebers steht noch aus

Der Heppenheimer Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Dietrich weist darauf hin, dass diese Entscheidung vom BAG noch nicht bestätigt wurde. Das BAG bejahte z.B. eine Kumulation von Urlaubsansprüchen, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, seinen Urlaub zu nehmen. Hier kann aber weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber etwas dafür, weshalb die Begrenzung der Kumulation für die folgenden 15 Monate sachgerecht erscheint.

Hier allerdings liegt der Grund dafür, dass der Urlaub nicht genommen wird, in der Arbeitgebersphäre.

Es ist daher durchaus denkbar, dass sich die vom LAG Düsseldorf angestoßene Rechtsprechung auch höchstrichterlich bestätigt. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Beschluss vom 29.09.2020 (Az. 9  AZR 266/20 (A) die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Diese Entscheidung bleibt nun abzuwarten.

Gut beratene Arbeitgeber machen eine nachhaltige Urlaubsplanung. Sie gehen zum Jahresende in die Initiative. Sie weisen nach, wie die Angebote zur Urlaubsnahme erfolgt sind. Zudem sollte eine arbeitsvertragliche Absicherung erfolgen: Wenn festgelegt ist, dass der übergesetzliche Urlaub nicht den strengen Vorgaben des gesetzlichen Mindesturlaubs unterliegt, besteht zumindest hier eine Handhabe zur Begrenzung auflaufender Urlaubsguthaben.

 

 

 

Verschärfte Rechtsprechung für den Verfall von Urlaub

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