Wenn der Zugang einer Willenserklärung nicht durch Briefkasteneinwurf per Boten sichergestellt werden kann, stellt sich die Frage nach rechtssicheren Alternativen.

Die Zustellung über Gerichtsvollzieher ist sicher, denn sie erbringt am Ende eine beweiskräftige öffentliche Urkunde. Aber sie ist wegen der Gerichtsvollziehergebühren teuer. Das Einschreiben mit Rückschein ist weniger sicher als es auf den ersten Blick aussagt. Wenn der Empfänger nicht angetroffen wird, nimmt der Zusteller das Poststück wieder mit – es geht erst einmal nicht zu. Wird es während der Lagerfrist nicht abgeholt, geht es gar nicht zu.

Nach der Rechtsprechung ergibt das Einwurfeinschreiben als zweitbeste Alternative zur Botenzustellung eine gute Sicherheit für wenig Geld.

Das BAG (Az.: 2 AZR 213/23) hat nun immerhin aus dem Ablauf bei der Deutschen Post AG – DHL als Marktführer eine Verlässlichkeit per Anscheinsbeweis abgeleitet:

Es besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen.

Diesen Anscheinsbeweis leitete das BAG aus einer Versendung per Einwurfeinschreiben her. Der Arbeitgeber hatte zu dieser Versandart den Einlieferungsschein und den vom Zusteller elektronisch unterzeichneten Auslieferungsnachweis vom 30.09.2021 vorgelegt. Dem trat die klagende Arbeitnehmerin mit dem Einwand entgegen, sie habe das Poststück erst  nach dem 30.09.2021 aus dem Briefkasten entnommen. Daher ende das Arbeitsverhältnis nicht am 31.12.2021, sondern erst drei Monate später mit Ablauf des nächsten Quartals am 31.03.2022.

Der Streit um die Zustellung noch am 30.09.2021 hatte also Auswirkungen dahin, ob der Arbeitgeber noch 3 Monate länger Entgelt leisten musste oder nicht.

Das BAG folgte der Arbeitgeberseite. Es leitete aus dem vorgelegten doppelten Nachweis (Einlieferungs- und Reproduktion des Auslieferungsscheins) ab, dass die Beklagte sich auf einen zu ihren Gunsten sprechenden Anscheinsbeweis berufen durfte. Wenn die Post AG üblicherweise noch zu der auch mit dem Auslieferungsschein korrespondierenden Zeit zustellt, dann erfolgt der Zugang noch an diesem Tag. Hier also noch gerade rechtzeitig für die Kündigung zum Jahresende.

Anscheinsbeweis des Zugangs per Einwurfeinschreiben

Das LAG Baden-Württemberg hat aus der Kombination von Einlieferungs- und Reproduktion des Auslieferungsscheins einen Anscheinsbeweis dahin hergeleitet, dass die Zustellung überhaupt erfolgt ist (Urteil vom 12.12.2023 – 15 Sa 20/23).

Es betont, dass der Auslieferungsschein allein – ohne Reproduktion der Unterschrift des Zustellers – nicht ausreicht.

Das zweitinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Aber nach der og. Entscheidung des BAG spricht viel dafür, dass das Urteil des LAG durch das BAG bestätigt wird.

Zu betonen bleibt: Das Einwurfeinschreiben ist gegenüber einem Boteneinwurf ohnehin nur die zweitbeste Alternative. Nach derzeitigem Rechtsstand muss man nicht nur den Eilieferungsschein als Nachweis für den Zugang vorweisen, sondern auch den Auslieferungsbeleg mit reproduzierter Unterschrift.

 

 

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