Wann ist der Zugang des Schreibens erfolgt? Von der Beantwortung dieser Fragen hängen maßgebliche Rechtsfolgen ab: Zum einen läuft ab da die 3wöchige Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage im Arbeitsrecht. Zum anderen berechnen sich ab diesem Zeitpunkt Kündigungsfristen. Oder mit dem Zugang sollen Fristen gewahrt werden. Für das Mietrecht ist neben der Kündigung auch die rechtzeitige Zustellung der Betriebskostenabrechnung ein klassisches Anwendungsbeispiel.

Wer ein Poststück aus dem Briefkasten holt, kann aber dem Umschlag nicht ansehen, wann er eingeworfen wurde. Auch die Gerichte sind zur Überprüfung nur eingeschränkt in der Lage.

Das LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 14.12.2018, 9 Sa 69/18 hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Kündigung am 27.01.2017 per Boten in den Briefkasten eingeworfen worden war. Die Zeit des Einwurfs war zunächst streitig. Sie konnte in der Beweisaufnahme auf 13.25 Uhr eingegrenzt werden. Kündigungsschutzklage wurde am 20.02.2017 erhoben.

Der Arbeitnehmer trug vor, dass er erst am 30.01.2017 von der Kündigung Kenntnis erlangt habe.

Damit war entscheidend, ob vom Zugang noch am 27.01.2017 auszugehen war. Wenn ja, war die Klage verspätet. Rechtsfolge: Die Kündigung ist schon wegen der Fristversäumung wirksam. Wenn nicht, war die Klage noch rechtzeitig, und das Gericht muss die weiteren Voraussetzungen der Kündigung prüfen.

Beim Einwurf in einen Briefkasten erfolgt Zugang nicht erst mit dem Lesen des Schreibens. Der Zugang wird unterstellt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (BAG 22. März 2012 – 2 AZR 224/11) Das BAG stellt dabei darauf ab, wann mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten gerechnet werden muss. Dabei kommt es nicht, darauf an, wann der individuelle Empfänger üblicherweise seinen Briefkasten leert. Vielmehr kommt es darauf an, wann vor Ort üblicherweise die Zustellung beendet wird.

Das LAG Baden-Württemberg grenzt sich von dieser Rechtsprechung ab. Es verweist in Zeiten der Postliberalisierung auf die stark variierenden Zustellzeiten. Im Interesse der Rechtssicherheit sei eine generalisierende Betrachtung geboten. Es folgt dabei einer früheren Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Februar 2011 (Az. 11 Sa 17/10).

Üblicher Zugang an Werktagen bis 17 Uhr

Das LAG stellt darauf ab, dass ein normaler Berufstätiger üblicherweise nach der Arbeit in seinen Briefkasten schaut und diesen leert. Daraus folgert das LAG: „Im Interesse der Rechtssicherheit für den Erklärenden und zur Begrenzung der Belastungen des Erklärungsempfängers ist die Festlegung der Uhrzeit von 17:00 Uhr an Werktagen als maßgeblicher Zeitpunkt, bis zu dem mit einer Kenntnisnahme am Tag des Eingangs gerechnet werden kann, angemessen.“ Alles was danach eingeworfen wird, gilt erst am Folgetag als zugegangen.

Da die Beweisaufnahme ergab, dass die Kündigung schon vorher zugegangen war, lief ab da die Frist. Dass der Kläger am Freitag, den 27.01.2017 und übers Wochenende verreist war, hätte er am Montag den 30.01.2017 unterstellen müssen, dass der Zugang nicht am Montag, sondern schon davor erfolgt ist. Aus Gründen der Vorsicht war daher eine Klage spätestens bereits am Freitag, den 17.02.2017 und nicht erst am Montag, den 20.02.2017 geboten. Diese Nachlässigkeit stand auch einer nachträglichen Klagezulassung entgegen.

Der Arbeitnehmer verlor schon deshalb die Kündigungsschutzklage.

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