Arbeits- und Tarifverträge sehen in aller Regel Ausschlussfristen vor. Beachten Parteien die Fristen nicht, verfallen etwaige Ansprüche. Deshalb werden solche Fristen auch Verfallfristen genannt. Im Bereich individueller Arbeitsverträge müssen Ausschlussfristen beiderseitig gelten und mindestens 3 Monate lang sein. Bei Tarifverträgen können unterschiedliche Zeiträume zur Anwendung kommen. § 22 RTV Gebäudereinigung sieht nur eine 2monatige Ausschlussfrist vor. Der TVöD ist hier wesentlich großzügiger: Er verlangt eine Geltendmachung innerhalb von 6 Monaten. Nur gesetzlich unverzichtbare Ansprüche, wie etwa der Mindestlohn – geht gesetzlichen oder sogar tariflichen Verfallfristen vor.

Wie macht man einen Anspruch so geltend, dass Ausschlussfristen gewahrt bleiben ?

Anschaulich exerziert das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 11.4.2019, 6 AZR 104/18, die ständige Rechtsprechung dazu vor:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfordert eine Geltendmachung keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs. Die Angaben müssen der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlauben. Der Anspruchsgegner muss wenigstens erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist jedoch nicht erforderlich. Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (so auch der 10. Senat des BAG,  Urteil vom 16.01.2013, 10 AZR 863/11).

Die Voraussetzungen wahrte der Kläger in dem 2019 entschiedenen Fall nicht. Dort ging es um Staatshaftungsansprüche wegen Arbeitszeitüberschreitungen eines Angestellten im feuerwehrtechnischen Dienst. Auch diese Forderungen sieht das BAG den Verfallfristen des TVöD unterworfen.

Die Klage selbst wahrte die Verfallfrist nicht: Der Kläger hätte 6 Monate nach Fälligkeit, also letztmals am 31. August 2016 seine Ansprüche schriftlich geltend machen müssen. Das hat er nicht getan. Die Klageschrift vom 24. November 2016 ist nach Fristablauf verfasst und der Beklagten erst am 1. Dezember 2016 zugegangen.

Auch ein voriges Schreiben vom 27. Mai 2013 wahrte die Frist nicht.

Dort hieß es

„… sollten den hauptamtlichen Kräften im Hinblick auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes in Cottbus vom 28. Februar 2013 (AZ.: VG 5 K 914/11) etwaige Ansprüche entstehen, möchten wir diese fristwahrend geltend machen.

Die Bereitschaft, den 24-Stundendienst im Rahmen einer 56-Stundenwoche zu leisten, besteht weiterhin.“

 

Voraussetzungen für die Wahrung von Ausschlussfristen
  • Spezifizierung in zeitlicher Hinsicht:

Das Schreiben vom 27. Mai 2013 ließ nicht erkennen, für welchen Zeitraum die Ansprüche geltend gemacht werden. Es wurde kein abgegrenzter Zeitraum in der Vergangenheit genannt. Es ist auch nicht erkennbar, ob die Geltendmachung nur für die Zukunft gelten soll. Daher konnte die Arbeitgeberseite weder auf den ersten Blick sehen noch aus den Umständen selbst ermitteln, was auf sie zukommt.

  • Hinreichend eindeutiges Erfüllungsverlangen:

Hier war nur ein erstinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus ergangen. Das BAG interpretiert das klägerische Schreiben so, dass der Kläger es durch die Prüfung nachfolgender Instanzen der Verwaltungsgerichte überlässt, ob ihm etwas zusteht oder nicht.

Es lag auch kein Rechtsmissbrauch des Arbeitgebers vor, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen. Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist. Beispiel: Der Arbeitgeber erweckt den Eindruck, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne rechtzeitige Geltendmachung erfüllt werde.

Im Fall hatte sich ein Schreiben nicht zu Ausgleichsansprüchen verhalten, sondern allein die Beibehaltung der bisherigen Dienstorganisation behandelt.

Das BAG urteilte daher, dass Kläger nicht darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte seine Ansprüche unabhängig von der Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist erfüllen werde.

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