Der gesetzlich festgelegte Mindestlohn ist unverzichtbar. Daher sind individualvertragliche Ausschlussfristen ingesamt unwirksam, wenn sie den Mindestlohn nicht ausnehmen (BAG Urt. v. 18.09.2018, 9 AZR 162/18). Der 5. Senat des BAG derartiges aktuell auch für tarifvertragliche Verfallklauseln entschieden (BAG Urt v. 20.06.2018, 5 AZR 377/17).
Hintergrund des Falls war, dass der am Bau beschäftigte Kläger Entgeltfortzahlungsansprüche geltend machte. Der Bundesrahmentaifvertrag Bau ist allgemein verbindlich. Der Kläger machte die Ansprüche erst nach Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist geltend. Die unteren Instanzen gaben seiner Klage teilweise statt: Sie sprachen ihm zumindest den gesetzlichen Mindestlohn zu. Weitergehende Ansprüche wurden abgewiesen.
Der Arbeitgeber ging durch die Instanzen dagegen vor, und verlor auch vor dem Bundesarbeitsgericht: Der Kläger sei bei Entgeltfortzahlung so zu stellen, als ob er gearbeitet hätte. Dann wäre ihm auch der gesetzliche Mindestlohn erhalten geblieben, der unterhalb des Bau-Mindestlohns liegt. Denn nach § 3 MiLoG sind Vereinbarungen unwirksam, die den Mindestlohn ausschließen oder beschränken.
Das BAG stellt klar, dass die tarifliche Verfallklausel im Übrigen aber wirksam bleibt: Denn Tarifverträge unterliegen aufgrund § 310 Abs. 4 Sa1 BGB nicht der Inhaltskontrolle. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB findet hier keine Anwendung. Daher tritt keine Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussfrist ein. Unterliegt das Arbeitsverhältnis allerdings keinem Tarifvertrag, ist die ganze Klausel infiziert und unwirksam.
Anpassungsbedarf wegen Mindestlohn bei Arbeits- und Tarifverträgen
Es ist nun zu erwarten, dass die Tarifvertragsparteien nach und nach die Tarifverträge anpassen werden. Erst recht ergibt sich aber Handlungsbedarf bei nicht tarifgebundenen Arbeitsverträgen: Sonst sind hier Streitigkeiten in der weitaus längeren allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren möglich. Das wirkt sich insbesondere dann aus, wenn im Verlauf der Zeit Überstunden angesammelt werden, die erst nach längerer Zeit auffallen oder wegen weiterer Streitigkeiten plötzlich geltend gemacht werden.