Dass das Arbeitszeugnis als sogenannte Holschuld vom Arbeitgeber zu erteilen aber vom Arbeitnehmer abzuholen ist, ist seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts 08.03.1995, Az.: 5 AZR 848/93 gefestigte Rechtsprechung.
Von diesem Grundsatz wird in der Praxis häufig aus Gründen der Praktikabilität abgewichen. Der Schuldner einer Holschuld kann auch freiwillig bringen oder schicken. Gelegentlich will der Arbeitgeber sich aber nicht mehr Mühe machen, als er muss. Das gilt insbesondere, wenn das Verhältnis zwischen den Parteien sich bereits erheblich zerrüttet hat. Nur ausnahmsweise kann der Arbeitnehmer die Übersendung des Zeugnisses als Ausnahme von der Holschuld verlangen.
Das LAG Berlin-Brandenburg führt dazu im Beschluss vom 6. Februar 2013, Aktenzeichen 10 Ta 31/13, als Leitsätze aus:
Ein Zeugnis ist am Ende des Arbeitsverhältnisses im Betrieb abzuholen, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dieses unzumutbar machen. Wer ohne Abholversuch ein Zeugnis einklagt, hat deshalb in aller Regel die Kosten zu tragen.
Abweichung von der Holschuld nach „Treu und Glauben“
Ausnahmsweise kann sich eine Holschuld bei folgenden Konstellationen in eine Schick- oder Bringschuld wandeln.
- Der Arbeitgeber gibt abschließend seine Rechtsposition auf und kündigt die Übersendung an. Dies kann aber nachfolgend widerrufen werden, wenn mitgeteilt wird, dass das Zeugnis zur Abholung bereit liegt. Beispiel nach LAG Hessen, Urteil vom 07.02.2011 – 16 Sa 1195/10: Der Arbeitgeber versendet die erste Fassung, die beim Arbeitnehmer verloren geht. Bei der Ersatzausstellung lebt die ursprüngliche Holschuld wieder auf.
- Der Arbeitnehmer hat bereits erfolglos beim Arbeitgeber vorgesprochen und das Zeugnis lag nicht zur Abholung bereit
- Nach Ende des Arbeitsverhältnisses liegen besondere Hinderungsgründe beim Arbeitnehmer vor (z.B. Krankheit oder große Entfernung zum neuen Wohnort, dabei reicht eine Entfernung von nur ca. 11 Kilometer keinesfalls aus, um die Holschuld entfallen zu lassen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.2017 – 5 Sa 314/17: das LAG sieht ein Verlangen nach einem ungeknickten und ungetackerten Zeugnis dann an der Grenze des Rechtsmissbrauchs, wenn es bei einer derart geringen Entfernung im Wunschzustand abgeholt werden kann)
- Nicht ausreichend: Besonderes Zerwürfnis der Parteien. Denn der Arbeitnehmer kann sich bei der Abholung eines Vertreters bedienen, der als sein Bote das Zeugnis beim Arbeitgeber abholt