Die Beweisverwertung bei rechtswidrig erlangten Erkenntnissen im Prozess ist im Straf- und im Zivilrecht ein viel diskutiertes Rechtsproblem. Ds BAG hat in der Entscheidung vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22 seine Grundsätze dazu weiterentwickelt. Die Verwertung von Beweisen aus unrechtmäßiger Videoüberwachung war bereits 2019 Entscheidungsgegenstand. Darum ging es vier Jahre später erneut.

In dem Fall ging ein Mitarbeiter einer Gießerei deutlich vor Schichtende in den Feierabend. Er erhielt trotzdem für die volle Schicht Vergütung. Als später auf einem Überwachungsvideo auffiel, dass der Mann das Werksgelände vorzeitig verlassen hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Arbeitsgericht und LAG gaben dem Kläger recht. Der Arbeitgeber hatte jedoch einen langen Atem, und setzte sich in der letzten Instanz beim BAG dahingehend durch, dass die Videoaufnahme zu Lasten des Arbeitnehmers verwertet werden durfte.

In den Vorinstanzen hatte der Kläger sich noch erfolgreich auf Datenschutzwidrigkeiten der Gegenseite berufen: Die Aufzeichnungen waren unstreitig länger als auf Hinweisschildern angegeben mit Speicherdauer von über 96 Stunden gespeichert geblieben. Eine Betriebsvereinbarung hatte geregelt, dass Videoaufnahmen nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürften.

Offene Videoüberwachung: Verbot der Beweisverwertung nur bei schwerwiegendem Grundrechtsverstoß

Das BAG folgte dem aber nicht. Für das oberste Gericht in Arbeitssachen war unerheblich, „ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach“. Erforderlich sei vielmehr eine Interessenabwägung beider Parteien. Ein Beweisverwertungsverbot komme jedenfalls bei offener Videoüberwachung nur in Betracht, wenn wenn die Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt.

Für den Arbeitgeber sprach hier der Vorsatzvorwurf gegen den Arbeitnehmer. Zudem war die Videoüberwachung durch Hinweisschilder offenkundig.

Angesichts der seit 2019 hierzu verfolgten Linie war die Entscheidung des BAG zunächst wenig überraschend. Hier lag allerdings neben einem als nicht schwerwiegend genug bewerteten Datenschutzverstoß auch eine Kollision zur gegenläufigen Betriebsvereinbarung vor. Das BAG führt aus, dass durch Betriebsvereinbarung Verbote der Beweisverwertung nicht eigenständig begründet werden könnten.

Ob die verwertungsfreundliche Linie des BAG in Zukunft noch durch den Europäischen Gerichtshof eingegrenzt werden wird, bleibt abzuwarten.

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