Das sogenannte Verschlechterungsverbot hat seine Grundlagen im öffentlichen Recht. Ergeht von staatlicher Seite ein Rechtsakt, kann der Betroffene bei einem Rechtsmittel häufig darauf vertrauen, dass es im Erfolgsfall besser wird, aber bei Zurückweisung des Ersuchens nicht schlechter als zuvor. Ob dieser Grundsatz auch beim Arbeitszeugnis gilt, ist bisher umstritten. Das BAG hat am 6.Juni 2023 erkennen lassen, dass es in der Regel von einem Verschlechterungsverbot ausgeht.

In der Entscheidung durch Versäumnisurteil vom 06.06.2023 – 9 AZR 272 / 22 hat das BAG zum Verschlechterungsverbot durch Selbstbindung ausgeführt:

„Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. allg. zur Selbstbindung des Arbeitgebers BAG 21. Juni 2005 – 9 AZR 352/04 – zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130). In gleicher Weise kann der Arbeitgeber – soweit er ursprünglich eine Schlussformel erteilt hat – an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, gebunden sein (vgl. BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 19, BAGE 144, 103).“

Darauf musste das BAG im zu entscheidenden Fall aber nicht einmal ausführlich eingehen. Der beklagte Arbeitgeber erschien nicht zur Revisionsverhandlung. Die Revision wurde im Wege des Versäumnisurteils zurück gewiesen.

Denn schon das LAG Niedersachsen als Vorinstanz hatte den Anspruch auf Zeugniskorrektur auf die Verletzung des Maßregelungsverbots (§ 612 a BGB) abgestellt. Im Fall hatte der Arbeitgeber im ersten von drei Arbeitszeugnissen eine wohlwollende Dankesformel als Schlussteil eingefügt. Nach Korrekturwunsch der Klägerin kam die Beklagte zwar mit inhaltlichen Änderungen entgegen, ließ aber die Dankesformel weg. Die Klägerin beantragte gerichtlich die Ausstellung eines korrekten Zeugnisses Zug um Zug gegen Rückgabe der beanstandeten Versionen und hatte damit durch alle Instanzen Erfolg.

Im Ergebnis Verschlechterungsverbot über § 612 a BGB

Entscheidend war, dass dem Arbeitgeber zur Last gelegt werden konnte, dass die schlechtere Zeugniserteilung bei der Schlussformulierung nur deshalb erfolgte, weil die Klägerin auf einer Verbesserung beharrt hatte. Konkrete Anhaltspunkte zur Verschlechterung, die erst nachträglich bekannt geworden wären, gab es ansonsten nicht. Zwar hat der Arbeitgeber beim Zeugnis generell ein Formulierungsermessen. Zudem kann die Arbeitnehmerseite grundsätzlich beim Arbeitszeugnis keine Dankesformel verlangen. Wenn der Arbeitgeber aber einmal einen positiven Aspekt in einem Zeugnis erwähnt, ist das vorher bestehende Ermessen dadurch gebunden. Dann darf der Arbeitgeber davon nur dann abweichen, wenn es für die negative Änderung einen nachträglich bekannt gewordenen Grund gibt. Dadurch ergibt sich ein grundsätzliches Verschlechterungsverbot. Für Ausnahmen von der Regel ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig.

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