Verdeckte Video – Überwachung  scheitert regelmäßig datenschutzrechtlich an der heimlichen Informationsgewinnung.  Allerdings betreiben viele Geschäfte schon zum Nachweis von Kundendiebstählen eine ausdrücklich mitgeteilte Überwachung des Ladens per Video.

Ob solche für jeden erkennbar getätigte Aufnahmen auch bei Mitarbeiterdiebstählen verwendet werden können, hatte kürzlich das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (Urteil vom 28.03.2019, AZ. 8 AZR 421/17).

In dem Fall war eine Mitarbeiterin in einer Lottoannahmestelle durch die allgemeine Überwachung der Ladenkameras dabei gefilmt worden, wie sie Waren nicht ordnungsgemäß abgerechnet, diese gestohlen und Geld aus der Kasse entwendet hatte.  Im Einzelnen waren Zigarettenverkäufe nicht ordnungsgemäß abgerechnet, Diebstähle von Zigaretten begangen, unberechtigt Gelder entnommen und Rubbellose genutzt worden, ohne diese zu bezahlen.

Hierzu war ein konkreter Schadensbetrag iHv. 976,20 Euro wegen einzelner Vorgänge vom 17. und 19. Dezember 2015 sowie am 8., 13., 23. und 29. Januar 2016 durch videomäßig gesicherte Taten nachgewiesen worden. Zudem schrieb der Arbeitgeber der Mitarbeiterin einen weitergehenden Schaden iHv. 8.864,07 Euro zu. Diesen führte er auf ungeklärte Kassen- und Warendifferenzen zurück.

Die Kündigungsschutzklage endete erstinstanzlich mit Klagerücknahme der Klägerin. Die fristlose Kündigung war damit wirksam und außer Streit. Jedoch hatte der Arbeitgeber seinerseits Widerklage auf Schadensersatz erhoben. Die Mitarbeiterin bestritt die Verursachung der Schäden. Die Schadensersatzklage des Arbeitgebers ging hinauf bis zum BAG. Denn der Arbeitgeber hatte außer dem Videobeweis keine anderen Beweise angetreten.

Grundrechtsabwägung bei Video – Überwachung

Das BAG lehnte in dem Fall die Verwertung der Erkenntnisse aus der Videoüberwachung nicht generell ab. Das Gericht legt aber auch hieran strenge Maßstäbe an. Ein Verwertungsverbot kann sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts ergeben. Der 8. Senat des BAG schließt sich einer Vorentscheidung des 2. Senats an, wonach  ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“ nur in Betracht komme, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 14 mwN, BAGE 163, 239). Dies setze in aller Regel voraus, dass bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden sei, ohne dass dies durch überwiegende Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre.

Der Grundrechtseingriff durch eine heimliche – also verdeckte – Video – Überwachung wiegt schwerer als die offene Überwachung, auf die der Mitarbeiter sich einstellen kann.

Die Folge: Im Fall einer verdeckten Videoüberwachung muss „der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, nicht notwendig strafbaren Pflichtverletzung bestehen“. In einem solchen Fall ist eine verdachtsunabhängige Ermittlung, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, unzulässig.

Eine nicht heimliche, also offene Videoüberwachung greift weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein. Solche Datenerhebungen sollen laut BAG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts – zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung – zulässig sein. Jedoch sollen derartige präventive Überwachungsmaßnahmen nur bei weiteren Kriterien zulässig sein:

  • Vorliegen einer abstrakten Gefahr von Pflichtverletzungen oder Straftaten
  • kein psychischer Anpassungsdruck durch die Überwachung, sodass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind

 

Lückenlose offene Überwachung wiegt ähnlich schwer wie heimliches Filmen

Entsteht durch eine offene Überwachung eine

  • lückenlose,
  • dauerhafte sowie
  • sehr detaillierte Erfassung des Verhaltens des Mitarbeiters
  • während der gesamten Arbeitszeit,

erhält diese Überwachung das gleiche Gewicht wie eine verdeckte Überwachung.

Dann muss der Arbeitnehmer davon ausgehen , dass jede der Bewegungen überwacht werden. Denn dann besteht keine Möglichkeit einer unbewachten und ungestörten Wahrnehmung des Persönlichkeitsrechts.

 

Nachweis überwachungsfreier Zonen erforderlich

Um zu einer verwertbaren Videoüberwachung zu kommen, muss der Arbeitgeber also nach der neuen BAG-Rechtsprechung nachweisen, dass es überwachungsfreie Zonen gibt. Wenn der Arbeitnehmer sich während der Arbeit dorthin zurück ziehen kann, ist die Verwertung der Ergebnisse aus den überwachten Bereichen möglich. Dazu soll das Landesarbeitsgericht nun weitere Feststellungen treffen. Ist danach die offene Überwachung zulässig, kann die Mitarbeiterin aus den Aufnahmen ggf. überführt werden. Denn das BAG stellt klar: „Der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter ist in Bezug auf die Aufdeckung und Verfolgung seiner materiell-rechtlich noch verfolgbaren Tat nicht schutzwürdig.“

Die übrigen Schadensersatzansprüche wegen des bloßen Verdachts, dass die Mitarbeiterin vermutlich auch für die nicht gefilmten Fehlbestände verantwortlich sei, hat das BAG zurück gewiesen. Eine Vermutung als Nachweis reicht hier nicht aus. Zwar trifft einen in einem Einzelfall bereits überführten Täter wegen weiterer Fälle eine erhöhte eigene Darlegungslast zur Entlastung. Wenn aber plausibel auf andere mögliche Täter (Kundendiebstähle oder auch eine weitere in Verdacht geratene Mitarbeiterin) verwiesen werden kann, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Die bloße Vermutung des Arbeitgebers war dazu nicht ausreichend.

 

 

 

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