Auch bei einem Vertrag über Hausnotruf muss ein Geschädigter beweisen, dass der Schaden durch die Pflichtverletzung eingetreten ist. Der BGH hat in dem Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 Beweisgrundsätze aus dem Arzthaftungsrecht auf das Recht der Dienstleistung für den Fall Hausnotruf übertragen. Steht bei der Pflichtverletzung ein grobes Verschulden fest, kommt es zu einer Beweislastumkehr. Dann muss der Schädiger beweisen, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht vorliegt.

Im zu entscheidenden Fall waren gesundheitliche Risiken des Klägers zuvor ausdrücklich erhoben worden. Dem Dienstleister waren Vorerkrankungen bekannt: Arthrose, Atemnot, chronische Bronchitis, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus und Makroangiopathie sowie ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko. Er lebte allein in einer Wohnung in einem Seniorenwohnheim mit Pflegestufe 2 (Stand 2012).

Der Kläger meldete sich über den Notruf. Er konnte sich aber minutenlang nur stöhnend äußern. Der beklagte Hausnotruf veranlasste allerdings nicht, dass ein Rettungsdienst alarmiert wurde. Er schickte lediglich einen medizinisch nicht geschulten Mitarbeiter eines Sicheheitsdienstes. Mithilfe eines Kollegen setzte dieser den Kläger zurück auf die Couch. Erneut wurde keine ärztliche Versorgung veranlasst. Drei Tage später wurde der Kläger liegend in der Wohnung aufgefunden. Erst jetzt wurde er mit Halbseitenlähmung und Sprachstörung in eine Klinik eingeliefert. Dort wurde ein wahrscheinlich ein bis drei Tage alter Schlaganfall diagnostiziert. Der Kläger verstarb im Verlauf des Rechtsstreits. Seine Töchter führten die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld weiter, die erst in dritter Instanz erfolgreich war.

Übertragung der Beweisgrundsätze aus dem Arzthaftungsrecht auf den Hausnotruf

Der BGH würdigt in der Entscheidung den ausdrücklichen Schutzzweck des Vertrags über Hausnotruf: Schutz von Leben und Gesundheit der zumeist älteren und pflegebedürftigen Teilnehmer. Ausgehend von demselben Schutzzweck überträgt der 3. Senat die aus dem Arzthaftungsrecht bekannten Beweisgrundsätze.

Dort führt ein grober Behandlungsfehler dazu, dass der Kausalitätsnachweis vom Geschädigten nicht mehr erbracht werden muss. Vielmehr muss der Schädiger dann seinerseits beweisen, dass der Schadensfall eben nicht auf seinem Verhalten beruht. Der grobe Verkennung eines akuten medizinischen Notfalls stellt laut BGH jedenfalls bei einem Vertrag Hausnotrufvertrags ein ebenso grobes Verschulden dar. Dies führt dann ebenfalls zur Beweislastumkehr.

Das führt in dem Fall dazu, dass der BGH dem Hausnotruf – Unternehmen einen groben Kardinalfehler vorhielt: Bei der bekannten Vorgeschichte des Patienten hätte der Mitarbeiter des Hausnotruf – Dienstes einen Rettungsdienst alarmieren müssen. Die Entsendung eines medizinisch nicht geschulten Sicherheitsmitarbeiters war eine grobe Fehlentscheidung.

Somit wird den Erbinnen des Klägers im Ergebnis voraussichtlich eine hohe Summe an Schadensersatz und Schmerzensgeld zuerkannt werden müssen.

 

 

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