Viele ältere Arbeitsverträge enthalten noch die Regelung, dass Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit gewertet und bezahlt werden. In einer Vielzahl von Fällen ist das heute nicht mehr haltbar.

Der Heppenheimer Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Dietrich betont: Die Handhabung von Zeiten des Umkleidens kann erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsvergütung haben. Aber auch etwaige Abmahnungen können angreifbar sein, wenn der Arbeitnehmer aus Sicht des Chefs vermeintlich zum falschen Zeitpunkt die Stechuhr auslöst.

Bei der Prüfung, ob Umkleidezeiten nachzuvergüten sind, gilt schon längere Zeit das Argument „das haben wir schon immer so gemacht“ nicht mehr:

Spätestens seit der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.09.2012 ist die vorher in der Rechtsprechung gebilligte arbeitgeberfreundliche Praxis oft nicht mehr haltbar. Das BAG stellt als Abgrenzungskriterium auf, dass Umkleidezeiten dann Arbeitszeiten sind, wenn sie Teil der geschuldeten Arbeitszeit dadurch sind, dass sie dem für den Arbeitnehmer fremden Bedürfnis des Arbeitgebers dienen.

Beispiel 1 – Krankenhauspersonal – Umziehen im Betrieb

Hier erfolgt das Umziehen aus hygienischen Gründen im Betrieb. Dann erfolgt bereits aus der Arbeitgeberweisung selbst, dass es sich um Arbeitszeit handelt.

Beispiel 2 – Dienstuniform Zugbegleiter – Umziehen zu Hause

Hier muss der Arbeitnehmer zwar Dienstkleidung tragen. Er darf diese aber Zuhause anziehen. Damit ist die Umkleidezeit nur ausnahmsweise Arbeitszeit. Ausnahme: Der Fall der Dienstuniform eines Zugbegleiters. Denn die Kleidung lässt aufgrund des Bekanntheitsgrades Rückschlüsse auf den Arbeitgeber Deutsche Bahn zu. Macht der Arbeitnehmer damit bereits auf dem Weg zur Arbeit durch Tragen der Dienstkleidung Werbung für den Arbeitgeber, ist bereits das Umkleiden Arbeitszeit.

Risiken für Arbeitgeber durch Umkleidezeit insbesondere bei Minijobs

Rechtsanwalt Dietrich weist dazu auf die besondere Bedeutung des gesetzlichen Mindestlohnes hin. Häufig sind Minijobs „auf Kante“ kalkuliert. Dann kann die fehlerhafte Missachtung der Umkleidezeit dazu führen, dass die 450-Euro-Grenze überschritten wird. Arbeitgeber sollten die damit verbundene Sozialversicherungspflicht nicht riskieren.

Die Risiken steigen, wenn keine vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfristen gegeben sind. Gleiches gilt, wenn diese durch Führung eines Arbeitszeitkontos faktisch außer Kraft gesetzt sind. Dann können über mehrere Jahre bei einer Viertelstunde täglicher Zeit für das Umziehen erhebliche Ansprüche auflaufen. Auf den Arbeitgeber kommen neben der Lohnzahlung auch Sozialversicherungsbelastungen zu, für die sogar eine vierjährige Verjährungsfrist gilt.

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