Auch im Gewerbemietrecht zwingt die Corona-Zeit Bundestag und Bundesrat zu schnellen Anpassungen der Gesetzgebung.
Die erste Lockdown-Welle führte bereits zu behördlich angeordneten Geschäftsschließungen. Die Gerichte urteilten uneinheitlich dazu, welche der Vertragsparteien das damit verbundene Geschäftsrisiko zu tragen hat.
Die Landgerichte Frankfurt, Heidelberg, und Oldenburg wiesen das Risiko dem Mieter zu. Der Mieter von Gewerberaum trage das sogenannte Verwendungsrisiko. Die behördliche Schließungsanordnung beruhe nicht auf der Beschaffenheit der Mietsache. Nur diese liege im Risikobereich des Vermieters.
Anders entschied dagegen das Landgericht München. Dieses wies die Betriebsschließungsversicherung eines Gewerbemieters an, einzuspringen
Der Gesetzgeber wollte nun nicht auf eine Klärung durch den BGH warten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages fasste das Dilemma der ungeklärten Rechtslage in einem Gutachten zusammen. Bundestag und Bundesrat sprachen daraufhin ein gesetzliches Machtwort:
Gesetzliche Vermutung der Risikoverteilung im Gewerbemietrecht
Art. 240 EGBGB betrifft verschiedene vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie. Der dortige neue § 7 legt fest:
Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Diese Reglung ist auf Pachtverträge entsprechend anwendbar.
Begleitend wurde im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) durch § 44 ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot eingeführt:
Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln. In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Die Regelungen öffnen nun den Rechten der Gewerbemieter nicht Tür und Tor. In extremen Situationen will der Gesetzgeber damit aber dem Mieter das Recht geben, dass die Vertragsgrundlagen angepasst werden. Die Gesetzesregelung wird rückwirkend gelten.
Corona-Klauseln im Gewerbemietrecht anzuraten
Darauf muss nun die Vertragspraxis bei Neuvermietungen reagieren. Auch Nachträge sind denkbar. In Pandemie-Klauseln sollte die Risikoverteilung klar geregelt sein: Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird nach der gesetzlichen Neuregelung ja nur vermutet.
Wird der Gewerbemietvertrag eindeutig gefasst, ist für die gesetzliche Vermutung kein Raum. Denn das Risiko ist versicherbar. Daher kann man dem Mieter vertraglich auferlegen, die Fortzahlung der Miete über eine Versicherung abzufangen.