Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist häufig Stolperstein bei krankheitsbedingten Kündigungen. Macht der Arbeitgeber hier Fehler, holen ihn diese bei der gerichtlichen Prüfung der Kündigung regelmäßig wieder ein. Daher scheut so mancher Arbeitgeber den Aufwand und die Fehleranfälligkeit des BEM. Umgekehrt stellt sich aber die Frage, ob der Arbeitnehmer auf ein BEM einen individuellen Anspruch hat, auch wenn der Arbeitgeber ihm keines anbietet.

Die Rechtsfrage ist streitig:

§ 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 Abs. 2 SGB IX) legt dem Arbeitgeber die Pflicht auf, ein BEM durchzuführen. Diese Pflicht setzt ein, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist. Da die Pflicht im Sozialgesetzbuch IX normiert ist, ist diese im Bereich des öffentlichen Sozialrechts verankert.

Das LAG Hamm hat in der Entscheidung vom 13.11.2014 in der bürgerlich-rechtlichen Norm des § 241 Abs 2 BGB eine Anspruchsgrundlage zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses gesehen. Diese Vorschrift legt den Parteien eines Schuldverhältnisses eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht auf. Hieraus abgeleitet ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgeber auch ein klagbarer Anspruch auf Einleitung des BEM.

Das LAG Nürnberg hat sich in einer neueren Entscheidung dagegen positioniert: Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der  sozialrechtlichen Normen  § 167 Abs. 2 SGB IX (früher: § 84 Abs. 2 SGB IX)  ausdrücklich keinen Indivudualanspruch schaffen wollen. Das müsse bei der Auslegung von § 241 Abs. BGB berücksichtigt werden.

Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist nicht rechtskräftig. Das LAG Nürnberg hat gegen seine Entscheidung die Revision zugelassen. Diese ist unter dem Aktenzeichen 9 AZR 572/20 beim Bundesarbeitsgericht anhängig.

Weigerung bei Eingliederungsmanagement folgenlos ?

Schon wegen der nicht abgeschlossenen Revision sollten Arbeitgeber das Risiko nicht eingehen, einen BEM-Wunsch abzulehnen. Der Arbeitnehmer, der seine Wiedereingliederung verlangt, ist in der Regel erfahren und motiviert, auf dem Arbeitsplatz wieder Fuß zu fassen. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzen. Außerdem ist die  spätere Kündigung erschwert, wenn man als Arbeitgeber durch ein BEM nicht demonstrieren kann, dass man alles zur Vermeidung der Kündigung unternommen hat.

 

 

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