Der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers ist von Arbeitgeberseite im Betrieb oft kein gern gesehener Besucher. In der Praxis stand eine sachgerechten Arbeitnehmervertretung im Weg, dass der Rechtsanwalt zu Gesprächen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gegen den Willen der Arbeitgeberseite keinen Zutritt hatte.

Zum BEM gibt es nun aber seit 10.06.2021 eine gesetzliche Neuerung. Der Heppenheimer Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Dietrich weist auf eine aktuelle Gesetzesänderung hin. Durch das Teilhabestärkungsgesetz wurde u.a. § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX geändert. Danach hat der Arbeitnehmer das Recht, zu den weiteren Verfahrensbeteiligten zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuzuziehen.

Durch Gesetzesänderung hat der Rechtsanwalt nun Zugang zum BEM-Gespräch

Damit sind frühere Entscheidungen der Obergerichte durch den Gesetzgeber obsolet geworden: Das LAG Rheinland-Pfalz (Urt v. 18.12.2012 – Az. 5 Sa 518/14) und das LAG Hamm (Urt. v. 13.11.2014 – 15 Sa 979/14) hatten dem Rechtsanwalt den Zugang zum BEM noch versagt.

Nach diesen Entscheidungen waren Arbeitnehmer auf den Goodwill des Arbeitgebers angewiesen. Ließ dieser die Hinzuziehung des Rechtsanwalt zum BEM-Gespräch zu, war ihm dies unbenommen. Wollte der Arbeitgeber hingegen keinen Arbeitnehmeranwalt in seine Räume hinein lassen, hatte der Arbeitnehmer keine Handhabe. Er musste sich damit begnügen, sich durch ein Betriebsratsmitglied unterstützen zu lassen. In vielen Betrieben gibt es aber keinen Betriebsrat. Die Rolle des Betriebsrats besteht zudem nicht allein in der Wahrung der Rechte des einzelnen Arbeitnehmers. Hier ergeben sich häufig Vertrauensdefizite. Schwerbehinderte Arbeitnehmer konnten zudem durch Hinzuziehung des Mitarbeiters des Integrationsamts de facto Beistand erlangen. Denn das Integrationsamt nimmt zumindest eine neutrale Rolle ein, bietet beiden Seiten Hilfen an und wacht über die Einhaltung der Förmlichkeit des Verfahrens.

Zielorientierung durch Rechtsanwalt auf beiden Seiten

Es ist allerdings auch nicht erkennbar, weshalb viele Arbeitgeber vor der Gesetzesänderung Vorbehalte gegen die Beteiligung des Anwalts hatten. Arbeitnehmer lassen sich natürlich auch außerhalb des BEM soweit „coachen“, dass sie im BEM-Gespräch nicht einfach alles akzeptieren, was der Arbeitgeber gerne hätte. Hier konnte schon bisher darauf verwiesen werden, dass Vereinbarungen ohne Außenprüfung durch den Rechtsanwalt des Vertrauens nicht bindend sind. Dies verzögerte das Betriebliche Eingliederungsmanagement häufig. Derartige Verzögerungen lagen auch nicht im Arbeitgeberinteresse.

Erfahrungsgemäß laufen BEM-Verfahren allerdings vor allem dann zielorientiert ab, wenn sogar auf beiden Seiten ein Rechtsanwalt die Interessen wahrt. Diese nehmen für die Partei in emotionsgeladenen Verhandlungen nicht nur eine Prellbock-Funktion war. Praxiserfahrene Anwälte können für beide Parteien abschätzen, ob es möglich ist, das Arbeitsverhältnis zu zumutbaren Bedingungen zu erhalten. Sie können auch auf Hilfen von Außen drängen, so zum Beispiel auf Wiedereingliederungszuschüsse. Oftmals wird so die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Interesse vermieden. Arbeitslosigkeit wird so auf der einen Seite abgewendet. Diese kann gerade bei älteren aber noch rentenfernen Arbeitnehmern ein Stolperstein in der Erwerbsbiografie sein. Auf Arbeitgeberseite werden teure Abfindungen vermieden und Fachkräfte erhalten.

 

 

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