Die WEG – Reform hat zum 1. Dezember 2020 das Wohnungseigentumsrecht grundlegend umgestaltet. Die Befugnisse der Gemeinschaft wurden erheblich gestärkt. Konnten vor der Neuregelung einzelne Wohnungseigentümer aus eigenem Recht Nachbarrechtsstreite führen, ist das gem. § 9 b WEG n.F. nicht mehr möglich. Jetzt kann nur noch die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit agieren. Musste die Gemeinschaft vor der Reform dem Eigentümer die Prozessführungsbefugnis aktiv entziehen, liegt diese nun von vornherein bei ihr. Sie kann allerdings nun die Prozessführungsbefugnis im Beschlussweg wiederum auf einzelne Eigentümer übertragen.

Was aber passiert bei Streitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung schon anhängig waren?

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 7. Mai 2021 – V ZR 299/19) hatte hierzu einen Streit zu entscheiden, der im März 2019 erstinstanzlich vor dem Amtsgericht Mannheim und zweitinstanzlich vom Landgericht Mannheim entschieden wurde. Auf Revision der Beklagten wurde der Rechtsstreit vor dem BGH weitergeführt. In der Zwischenzeit änderte sich das Gesetz. Der BGH hilft dem zuvor jeweils obsiegenden Kläger. Dieser hatte der vorigen Regelung entsprechend allein vom Nachbarn die Einhaltung der Vorschriften über Abstand und Höhe von Anpflanzungen verlangt.

Für bereits vor dem 1. Dezember 2020 anhängige Verfahren besteht die Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers weiter fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs (z.B. Verwalter) über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird.

Gesetzgeberische Lücke bei WEG – Reform: Gesetzgeber vergisst Altfälle

Die Begründung des BGH lautet, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des WEG eine Regelung für Altfälle schlichtweg vergessen hat. Es sei sachgerecht, es bei der vorigen Regelung zu belassen. Damit würden lang andauernde vorige Rechtsstreitigkeiten nicht mit einem – falschen – Federstrich des Gesetzgebers obsolet. Die Gemeinschaft als solche sei in ihren Rechten nicht eingeschränkt, den Rechtsstreit an sich ziehen zu können, wenn sie es denn will.

Da die Revision an diesem Punkt nicht erfolgreich war und Amts- und Landgericht zuvor den Nachbarn zur Beseitigung von vier abstandswidrigen Zypressen verurteilt hatte, blieb es bei der Verurteilung des Nachbarn.

In neuen Nachbarstreiten seit 1. Dezember 2020: Aktivlegitimation nur noch für die Gemeinschaft

Die BGH-Entscheidung bedeutet aber zugleich: Die Lücke in der Neuregelung des Gesetzgebers hilft einzelnen Eigentümern in neuen Fällen nicht. Sie müssen entweder die WEG insgesamt dazu bewegen, die Nachbarrechte gemeinschaftlich wahrzunehmen. Oder aber die Gemeinschaft ermächtigt den betroffenen Einzeleigentümer, allein vorzugehen. Ohne diesen formalen Zwischenschritt sind Nachbarstreite zum Scheitern verurteilt.

 

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