In einem Gerichtsverfahren kommt nicht selten vor, dass mehrere Gutachten denselben Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Gutachten kommen in den verschiedensten Situationen vor:

Welche Tatsachen sind dann maßgeblich für das Urteil ? Diese Frage hat den Bundesgerichtshof im Beschluss vom 5. November 2019 in einer Kaufsache beschäftigt (VIII ZR 344/18).

Der Hintergrund des Falls: Die klagende Pflanzengroßhändlerin kaufte eine große Menge Kultursubstrat von der Beklagten. Hier hinein setzte sie zum Weiterverkauf vorgesehene Setzlinge ein. In ein anderes Substrat wurden dieselben Setzlinge eingesetzt. In der Anzucht mit dem von der Beklagten bezogenen Substrat trat Schädlingsbefall mit Trauermücken auf. Dadurch konnte dieser Bestand nicht vermarktet werden. Die Klägerin kaufte sich anderweitig Ersatz zur Vermarktung und wandte dafür gut 80.000 € auf. Diese verlangte sie von der Beklagten als Ersatz. Vor dem Landgericht hatte die Klägerseite Erfolg. Das Oberlandesgericht Oldenburg wies die Klage dagegen ab.

Die Vorinstanzen waren: LG Osnabrück, Entscheidung vom 27.11.2017 – 2 O 1273/15 – OLG Oldenburg, Entscheidung vom 09.10.2018 – 13 U 9/18 –

OLG folgt privatem Gutachten ohne ausreichende Begründung

Das OLG folgte in der Entscheidung dem Votum eines in zweiter Instanz eingebrachten Privatgutachtens. Der gerichtlich bestellten Gutachterin folgte das OLG nicht. Das OLG ließ die Revision nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH war erfolgreich. Die Sache wurde an einen anderen OLG-Senat zurück verwiesen. Der BGH sah in der Berufungsentscheidung gravierende prozessuale Mängel:

Bei Widersprüchen zwischen Gutachten – egal ob es sich um Gerichtsgutachter oder Privatgutachter handelt – sei das Gericht verpflichtet, diesen nachzugehen. Erkennbar widersprüchliche Gutachten seien keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts. Der BGH empfiehlt hierbei ein mehrstufiges Vorgehen. Zuerst kann eine Anhörung unter Gegenüberstellung beider Gutachter erfolgen. Ist der Widerspruch dann noch nicht geklärt, muss das Gericht ein Obergutachten einholen. Erst wenn auch das erfolglos war, kann das Gericht verbleibende Widersprüche frei würdigen. Das OLG hatte allerdings keine direkte Gegenüberstellung vorgenommen, sondern der Gerichtsgutachterin nur einzelne Punkte des Privatgutachtens vorgehalten. Später stützte das OLG sich auch auf andere Passagen des Privatgutachtens. Mit diesen war die Gerichtsgutachterin nicht konfrontiert worden. Ein Obergutachten war nicht eingeholt worden. Das OLG kürzte die Beweisaufnahme vielmehr ab indem es einfach dem Privatgutachter folgte.

Fortsetzung der Beweisaufnahme durch weitere Bewertung der Gutachten

Hier schiebt der BGH einen Riegel vor. Er legt nun dem anderen OLG-Senat auf, die Sachverhaltsaufklärung durch Beweisaufnahme vollständig abzuschließen. Dabei wird nun insbesondere nochmals der Punkt zu bewerten sein, dass in den verschiedenen Substraten der Schädlingsbefall nur in dem einen – von der Beklagten gelieferten – Substrat auftrat und in dem anderen nicht.

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