Die Vorbehaltszahlung stellt für Mieter einen Ausweg dar, wenn das Ausmaß einer Mietminderung unsicher ist.

Das Dilemma: Die Minderung tritt mit dem Mangel automatisch kraft Gesetzes ein. Mindert man zuviel, sammeln sich Rückstände an, die irgendwann auch eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs rechtfertigen. Es ist unsicher festzulegen, wann die Grenze zur Kündigung überschritten ist. Mindert der Mieter allerdings zuwenig oder gar nicht, muss er nachfolgend seinen Überzahlungen „nachlaufen“.

Dabei ergeben sich verschiedene Risiken:

Insbesondere wenn das Mietverhältnis schon gekündigt ist, können Überzahlungen nicht mehr durch Aufrechnung voll hereingeholt werden („Abwohnen“ der Überzahlung). Es muss bei uneinsichtigen Vermietern in einen kostenträchtigen Prozess investiert werden. Möglicher Einwand: Die Zahlung erfolgte, obwohl der Mieter den Minderungsgrund kannte. Dann ist der Mieter mit der Rückforderung ausgeschlossen, § 814 BGB.

Ab wann liegt nun aber die erforderliche Kenntnis vor, die Miete nicht voll zu schulden ? Wer muss das im Streitfall beweisen ?

Mit diesen Fragen hat das Landgericht Berlin sich im Urteil vom 01.03.2018 (Az. 67 S 342/17) befasst.

Das Landgericht geht von der erforderlichen positiven Kenntnis nur dann aus, wenn dem Mieter alle Elemente des Minderungsrechts in einem Ausmaß bekannt sind, das ihn zur Ausübung der Mängelhaftung berechtigt.

Das LG tritt zudem langjähriger BGH-Rechtsprechung entgegen und weist dem Vermieter die volle Darlegungs- und Beweislast dazu zu, dass der Mieter positiv wusste, nicht voll zahlen zu müssen.

Der BGH hat am 16.07.2003 dem Vermieter noch Beweiserleichterungen zugebilligt: Danach sollte eine Vermutung dahin gehen, dass der Mieter sein Minderungsrecht regelmäßig kennt. Damit wurde ein nachträgliche Geltendmachung der Minderung erheblich erschwert.

Neues Revisionsverfahren beim BGH zur Notwendigkeit der Vorbehaltszahlung

Das Landgericht hatte allerdings die Revision zugelassen. Der BGH ist unter Az. VIII ZR 100/18 der Linie des LG nicht gefolgt.

Der BGH führt aus:

Zwar ist – wie die Revision zu Recht geltend macht und das Berufungsgericht verkennt – von einer positiven Kenntnis einer Minderung nach § 536 BGB nicht erst dann auszugehen, wenn der Mieter über eine umfassende Kenntnis sämtlicher Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB verfügt. Angesichts des Umstands, dass eine Minderungsquote in aller Regel wegen der dabei in vieler Hinsicht gegebenen Bemessungsunwägbarkeiten (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien – und häufig auch von einem rechtlichen Beistand – nur überschlägig angesetzt werden kann, steht einem Kondiktionsausschluss nach § 814 Alt. 1 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung einer Minderungsquote in der Lage sieht.

Das heißt, dass der Vermieter gerade nicht einen vollumfassenden Kenntnisstand beim Mieter nachweisen muss, der einem professionellen Juristen ähnlich zur Festlegung der Minderung dem Grunde und der Höhe nach in der Lage ist.

Allerdings hatte der Mieter im zu entscheidenden Fall trotzdem Glück: Denn aus dem Schriftverkehr ergab sich, dass er der Meinung war, dass die Vermieterseite einer Minderung erst noch zustimmen müsse. Das war falsch. Denn die Minderung tritt automatisch kraft Gesetzes ein. Dem Mieter schadete die vorbehaltlose Fortzahlung der Miete also nicht. Denn er glaubte, irrtümlich noch kein Minderungsrecht ohne Zustimmung der Gegenseite zu haben.

Für andere Fälle heißt das also weiter: Somit wird der Mieter, der vorsichtshalber erst später das Maß der Minderung beziffern will, zunächst eine Vorbehaltszahlung leisten.

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