Das Zurückbehaltungsrecht ist eine vielfach unterschätztes Druckmittel im Mietrecht. Es birgt die Möglichkeit, Kündigungen wegen Zahlungsverzugs je nach Sichtweise abzuwehren bzw. herbeizuführen. Entscheidend ist dabei die Hebelwirkung des sogenannten Zurückbehaltungsrechts: Die Minderung wegen Mietmängeln tritt in der Regel automatisch ein. Sie bedarf nur der Anzeige des Mangels beim Vermieter. Dagegen hat der Mieter noch ein zusätzliches Druckmittel, um seinem Verlangen zur Herstellung eines vertragsgemäßen Zustandes Nachdruck zu verleihen: Das Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Mietzahlung.
Der Heppenheimer Fachanwalt für Mietrecht Alexander Dietrich weist darauf hin, dass bei der Rechtsausübung besondere Umsicht gefragt ist: Wenn zu lange oder zu viel zurück behalten wird, droht dem Mieter die Kündigung wegen Zahlungsverzugs.
Bereits die Ermittlung der Höhe des Zurückbehaltungsrechts ist unter Juristen umstritten: Einige Stimmen vertreten das dreifache bis fünffache der geschätzten Reparaturkosten. Anders aber die überwiegende Meinung, die davon ausgeht, dass das Zurückbehaltungsrecht betragsmäßig auf den dreifachen bis fünffachen Betrag der Mietminderung beschränkt ist.
Vorsicht: Weichenstellungen sind streitig
- Meinung A:
Bei einem Mangel mit 200,00 € Reparaturkosten darf der Mieter 600,00 € – 1000,00 € vorläufig (bis zur Beseitigung des Mangels) zusätzlich zur Minderung einbehalten.
- Meinung B:
Bei einem Mangel mit 10%iger Minderung und Miete von 500,00 €, darf zusätzlich zum endgültigen Einbehalt von 50,00 € vorläufig (bis zur Beseitigung des Mangels) ein Betrag von 150,00 € bis 250,00 € einbehalten werden, zusammen also (maximal) 300,00 €.
Deshalb ist man auf der sicheren Seite, wenn man je nach Sichtweise jeweils den aus eigener Sicht schlechteren Grenzwert berücksichtigt.
Jedenfalls hat der BGH (Urt. v. 17.06.2015 – VIII ZR 19/15) jedenfalls eine zeitlich unbeschränkte wiederholte Zurückbehaltung „bis zum St. Nimmerleinstag“ als übermäßiges Druckmittel angesehen.
Hebelwirkung durch Zurückbehaltungsrecht nur solange, wie der Mangel nicht beseitigt ist
Zudem ist die Entscheidung vom 19.09.2014 (VIII ZR 221/14) zu beachten: Danach entfällt das Zurückbehaltungsrecht in der Regel sofort, wenn der Mangel beseitigt ist. Der Mieter muss den vorläufig einbehaltenen Betrag nachzahlen. Nur die automatische Minderung bleibt als Kompensation beim Mieter. Der BGH gesteht hier recht rigoros regelmäßig keinerlei Prüffristen zu. Dann wird der zurück gehaltene Betrag sofort fällig. Das gilt jedenfalls, wenn der Mieter damit rechnen muss, dass der Mangel beseitigt wird.
Es hilft dem Mieter insbesondere nicht, sich darauf zu berufen, dass er das Geld nicht (sofort) flüssig hat. Denn es handelt sich ja um Geld, das er nur als Druckmittel für die Mangelbeseitigung zurück gehalten hat. Dieser Anlass besteht dann nicht mehr. Rechtsanwalt Dietrich warnt abschließend vor der kalendermäßig fälligen Mietzahlung: Selbst im Urlaub muss der Mieter Vorkehrungen für den Wegfall des Zurückbehaltungsrechts treffen. Er muss dafür sorgen, dass er bei sogleich die Miete nachzahlen kann.